Vom Schmetterlingsflügel zur Gebäudebeschichtung: Ein Forschungsteam der TU Wien untersucht, wie die Oberflächen von Schmetterlingsflügeln aufgebaut sind und wie wir dieses Wissen für die Herstellung von kühlenden Beschichtungen nützen können.
Florian Zischka und Ille C. Gebeshuber
Lernen vom Schmetterling für passiv selbstkühlende Fassaden
Mi 12. Juli 2023
Sommer für Sommer werden in unseren Metropolen neue Hitzerekorde gemessen, die teilweise bis zu zwölf Grad Celsius über der im Umland gemessenen Temperatur liegen. Vor allem in warmen Nächten erinnern unsere Städte an Backöfen, die auch nach dem Ausschalten noch lange Hitze abstrahlen. Um die damit verbundenen Gesundheitsgefahren und den übermäßigen Energieverbrauch durch Klimaanlagen zu reduzieren, wird neben Maßnahmen, wie beispielsweise der Begrünung von Dachflächen und Fassaden, seit einiger Zeit auch an dem Thema „Temperaturregulierung durch Beschichtungen“ geforscht. Die Natur kennt zahlreiche Pflanzen und Tiere, die mit speziellen Oberflächenstrukturen Wärmeaufnahme und -abstrahlung beeinflussen. Da der Baustoffhersteller Sto seit einigen Jahrzehnten Pionierarbeit bei bionischen Beschichtungen leistet, liegt es nahe, dass er – gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Forschung – auch bei der Lösung dieses Problems auf die Vorbildfunktion der Natur setzt. Das international tätige Unternehmen unterhält selbst eine große Forschungs- und Entwicklungsabteilung, in der bereits zahlreiche innovative Beschichtungskonzepte ausgetüftelt und weiterentwickelt wurden; die Bandbreite reicht dabei von selbstreinigenden oder kaum benetzbaren Flächen bis zu Materialien, die sich aufgrund ihrer Nah-Infrarot-Reflexion im Sonnenlicht weniger stark erwärmen.
In der Bionik geht es um das Lernen von der belebten Natur für Anwendungen in der Technik. Dieses Gebiet ist breit und tief, und verlangt nach interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Biologie und Technik, und – wenn die Endergebnisse nützbare Produkte sein sollen – auch mit der Industrie.
In unserer Gruppe am Institut für Angewandte Physik an der TU Wien beschäftigen wir uns schon seit langem mit diesem spannenden Forschungsbereich. Besonderes Interesse finden bei uns kleinste Strukturen im Mikro- und Nanometerbereich, deren funktionale Eigenschaften dann über bionischen Prinzipientransfer in die Technik übertragen werden. Beispiele umfassen Scharniere und Verriegelungsvorrichtungen in glaserzeugenden Algen, deren Mikromechanik und tribologische Eigenschaften Reibung, Schmierung und Verschleiß bei MEMS (mikroelektromechanischen Systemen) optimieren sollen. Diesbezügliche Arbeiten wurden in Zusammenarbeit mit der AC2T research GmbH, dem österreichischen Kompetenzzentrum für Tribologie in Wiener Neustadt, veröffentlicht.
Ein weiteres Beispiel für eine universitätsübergreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit sind die „farblosen“ Farben von einigen Schmetterlingen, die durch kleinste Strukturen entstehen, und nicht durch Pigmente. Derartige pigmentlose, farbgebende Strukturen lassen sich durch Nanoimprintverfahren in künstlerisch relevante Materialien übertragen, die dann genauso schön schillern, strahlen und leuchten wie die Schmetterlinge selbst. Dieser Zugang wurde von der gemeinsam betreuten Dissertantin Sigrid Zobl in Zusammenarbeit mit der Akademie für Bildende Kunst umgesetzt.
Den Schmetterlingen bleiben wir auch im hier näher vorgestellten Projekt mit der deutschen Firma Sto treu. Diesmal geht es jedoch nicht um die Farbe, oder das gerichtete Wasserabrinnverhalten von Schmetterlingsflügeln, und auch nicht um deren Selbstreinigungsfähigkeit, sondern um – man staune – die Temperaturregelungsfähigkeiten unserer kleinen geflügelten Freunde. Warum nun Sto an derartigen Forschungen beteiligt ist? Nun, die Frage ist schnell beantwortet: Das Ziel sind Fassadenbeschichtungen, die rein passiv durch ihre Struktur im Sommer kühlen und im Winter Wärmeabstrahlung verhindern.
Im Projekt „Pilotstudie Bioinspirierte Modelle für die Thermoregulation“ werden nun Schmetterlinge in Bezug auf ihre Thermoregulationsfähigkeiten untersucht. Als sehr spannend und vielversprechend haben sich in dieser Beziehung Schmetterlinge mit Duftschuppen herausgestellt, mit denen sie Pheromone in alle Richtungen verteilen. Bei manchen Schmetterlingen sieht man schon unter dem optischen Mikroskop Unterschiede zwischen den normalen Flügel- und Duftschuppen. Sehr anschaulich wird dieser Unterschied im Rasterelektronenmikroskop.
In der Bionik geht es um das Lernen von der belebten Natur für Anwendungen in der Technik. Dieses Gebiet ist breit und tief, und verlangt nach interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Biologie und Technik, und – wenn die Endergebnisse nützbare Produkte sein sollen – auch mit der Industrie.
In unserer Gruppe am Institut für Angewandte Physik an der TU Wien beschäftigen wir uns schon seit langem mit diesem spannenden Forschungsbereich. Besonderes Interesse finden bei uns kleinste Strukturen im Mikro- und Nanometerbereich, deren funktionale Eigenschaften dann über bionischen Prinzipientransfer in die Technik übertragen werden. Beispiele umfassen Scharniere und Verriegelungsvorrichtungen in glaserzeugenden Algen, deren Mikromechanik und tribologische Eigenschaften Reibung, Schmierung und Verschleiß bei MEMS (mikroelektromechanischen Systemen) optimieren sollen. Diesbezügliche Arbeiten wurden in Zusammenarbeit mit der AC2T research GmbH, dem österreichischen Kompetenzzentrum für Tribologie in Wiener Neustadt, veröffentlicht.
Ein weiteres Beispiel für eine universitätsübergreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit sind die „farblosen“ Farben von einigen Schmetterlingen, die durch kleinste Strukturen entstehen, und nicht durch Pigmente. Derartige pigmentlose, farbgebende Strukturen lassen sich durch Nanoimprintverfahren in künstlerisch relevante Materialien übertragen, die dann genauso schön schillern, strahlen und leuchten wie die Schmetterlinge selbst. Dieser Zugang wurde von der gemeinsam betreuten Dissertantin Sigrid Zobl in Zusammenarbeit mit der Akademie für Bildende Kunst umgesetzt.
Den Schmetterlingen bleiben wir auch im hier näher vorgestellten Projekt mit der deutschen Firma Sto treu. Diesmal geht es jedoch nicht um die Farbe, oder das gerichtete Wasserabrinnverhalten von Schmetterlingsflügeln, und auch nicht um deren Selbstreinigungsfähigkeit, sondern um – man staune – die Temperaturregelungsfähigkeiten unserer kleinen geflügelten Freunde. Warum nun Sto an derartigen Forschungen beteiligt ist? Nun, die Frage ist schnell beantwortet: Das Ziel sind Fassadenbeschichtungen, die rein passiv durch ihre Struktur im Sommer kühlen und im Winter Wärmeabstrahlung verhindern.
Im Projekt „Pilotstudie Bioinspirierte Modelle für die Thermoregulation“ werden nun Schmetterlinge in Bezug auf ihre Thermoregulationsfähigkeiten untersucht. Als sehr spannend und vielversprechend haben sich in dieser Beziehung Schmetterlinge mit Duftschuppen herausgestellt, mit denen sie Pheromone in alle Richtungen verteilen. Bei manchen Schmetterlingen sieht man schon unter dem optischen Mikroskop Unterschiede zwischen den normalen Flügel- und Duftschuppen. Sehr anschaulich wird dieser Unterschied im Rasterelektronenmikroskop.
Was hier auf den ersten Blick wie ein Drachenauge aussieht, ist ein mikroskopischer Blick auf einen Schmetterlingsflügel. Die einzelnen Schuppen sind im Allgemeinen wohlgeordnet, die Duftschuppen jedoch (das Auge des Drachens) zeigen in alle Richtungen. Kolorierung: Sebastian Karl
© TU Wien
Die Duftschuppen sind bei vielen Arten in Flecken oder Streifen auf dem Flügel angeordnet. Im Gegensatz zu der regulär geordneten Anordnung am restlichen Flügel, stehen die Duftschuppen an solchen Stellen jedoch oft in alle Himmelsrichtungen ab. Untersuchungen verschiedener Schuppen des Feurigen Perlmuttfalters in Zusammenarbeit mit Karin Whitmore von der universitären Serviceeinrichtung für Transmissionselektronenmikroskopie (USTEM) der TU Wien zeigen die funktionalen Strukturen von braunen Schuppen, Duftschuppen und silbern schillernden Schuppen.
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer braunen Schuppe des Perlmuttfalters. Der Skalierungsbalken ist 10 µm lang. Der Durchmesser eines menschlichen Haares beträgt ca. 70 µm
© TU Wien
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Duftschuppe des Perlmuttfalters. Skalierungsbalken 10 µm
© TU Wien
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer silbern schillernden Schuppe des Perlmuttfalters. Skalierungsbalken 10 µm
© TU Wien
Die biologischen Proben hierfür wurden von Harald Krenn, Professor für Biologie an der Universität Wien, zur Verfügung gestellt. Sie stammen aus einer Schmetterlingssammlung, die in den 1960er Jahren in Japan zusammengestellt wurde. Wir erwarteten, entsprechende Verfallserscheinungen zu sehen, doch – siehe da – trotz des hohen Alters der Schuppen von bis zu 60 Jahren, konnten wir an den Mikro- und Nanostrukturen keine Unterschiede zu jüngeren Schmetterlingsschuppen feststellen. Wieder einmal überraschen uns die Schmetterlinge mit ihrer Multifunktionalität: die scheinbar so fragilen Strukturen der Schuppen legen hier eine beachtliche Haltbarkeit an den Tag.
In weiterer Folge sollen Struktur- und Funktionsbeziehungen in Bezug auf unterschiedliche Temperaturregelungsfähigkeiten der Schmetterlinge hergestellt werden, die zu Grunde liegenden Prinzipien abstrahiert und auf Fassaden übertragen werden. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer energieeffizienten, rein passiv temperaturregulierenden Fassade!
In weiterer Folge sollen Struktur- und Funktionsbeziehungen in Bezug auf unterschiedliche Temperaturregelungsfähigkeiten der Schmetterlinge hergestellt werden, die zu Grunde liegenden Prinzipien abstrahiert und auf Fassaden übertragen werden. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer energieeffizienten, rein passiv temperaturregulierenden Fassade!
Florian Zischka, Student der Technischen Physik, und Ille C. Gebeshuber, Professorin am Institut für Angewandte Physik der Technischen Universität Wien
© Florian Zischka / Mihaela Noroc
Kurzbiographie Florian Zischka:
Florian Zischka wuchs auf dem Land in Niederösterreich auf und war schon in seiner frühen Kindheit begeistert von der Natur und immer an der frischen Luft unterwegs. Nach dem Beginn seines Bachelorstudiums der Physik war ein baldiger Kontakt mit der Forschungsgruppe für Bionik und Biomimetik daher vorprogrammiert. Er schrieb seine Bachelorarbeit über die Biomimetik von Kieselalgen und veröffentlichte ein Buchkapitel dazu. Bald folgten mehrere Posterpräsentationen auf verschiedenen nationalen und internationalen Wissenschaftskonferenzen. Mittlerweile studiert Florian Physik im Master und beschäftigte sich innerhalb eines Forschungsprojektes intensiv mit Schmetterlingsflügelschuppen und deren erstaunlichen Nanostrukturen.
Kurzbiographie Ille C. Gebeshuber:
Ille C. Gebeshuber kommt aus der Steiermark und studierte technische Physik an der TU Wien. Schon in jungen Jahren begeisterte sie das Zusammenspiel von Physik, Biologie, Materialwissenschaften, Architektur, Ingenieurswissenschaften, Medizin und weiteren Fachgebieten, wie es in der Bionik so wunderbar zum Ausdruck kommt. Sie begründete das Gebiet der Kieselalgentribologie, beobachtete als PostDoc in Santa Barbara, Kalifornien, als erste die Interaktion von Proteinen mit Proteinen auf der Einzelmolekülebene und verbrachte sieben Jahre forschend im tropischen Malaysia. Ihre Bücher „Wo die Maschinen wachsen“ und „Eine kurze Geschichte der Zukunft“ sind Bestseller. Sie forscht und lehrt an der TU Wien.
Florian Zischka wuchs auf dem Land in Niederösterreich auf und war schon in seiner frühen Kindheit begeistert von der Natur und immer an der frischen Luft unterwegs. Nach dem Beginn seines Bachelorstudiums der Physik war ein baldiger Kontakt mit der Forschungsgruppe für Bionik und Biomimetik daher vorprogrammiert. Er schrieb seine Bachelorarbeit über die Biomimetik von Kieselalgen und veröffentlichte ein Buchkapitel dazu. Bald folgten mehrere Posterpräsentationen auf verschiedenen nationalen und internationalen Wissenschaftskonferenzen. Mittlerweile studiert Florian Physik im Master und beschäftigte sich innerhalb eines Forschungsprojektes intensiv mit Schmetterlingsflügelschuppen und deren erstaunlichen Nanostrukturen.
Kurzbiographie Ille C. Gebeshuber:
Ille C. Gebeshuber kommt aus der Steiermark und studierte technische Physik an der TU Wien. Schon in jungen Jahren begeisterte sie das Zusammenspiel von Physik, Biologie, Materialwissenschaften, Architektur, Ingenieurswissenschaften, Medizin und weiteren Fachgebieten, wie es in der Bionik so wunderbar zum Ausdruck kommt. Sie begründete das Gebiet der Kieselalgentribologie, beobachtete als PostDoc in Santa Barbara, Kalifornien, als erste die Interaktion von Proteinen mit Proteinen auf der Einzelmolekülebene und verbrachte sieben Jahre forschend im tropischen Malaysia. Ihre Bücher „Wo die Maschinen wachsen“ und „Eine kurze Geschichte der Zukunft“ sind Bestseller. Sie forscht und lehrt an der TU Wien.