Einen Zeitpunkt festzulegen, ab dem der Mensch das Klima am Planeten aktiv beeinflusst hat, ist wohl kaum möglich. War es der Moment, als das Feuer entdeckt wurde? War es das Ende des Nomadentums, ab dem der Mensch begonnen hat, sesshaft zu werden, Ackerbau und Viehzucht zu betreiben? War es der Punkt, ab dem industriell und serienreif Waren hergestellt wurden? Oder der, als sich Energieversorgungssysteme aus fossilen Energieträgern wie Erdöl und Erdgas etablierten?
Text: Sarah Kleiner
Wann der Mensch vom Klimawandel wusste
Mi 06. März 2024
Die grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über den menschengemachten Klimawandel sind da chronologisch schon leichter zu verorten. 1824 dokumentierte der französische Baron und Physiker Jean Baptiste Joseph Fourier in einem Essay die Theorie, dass es möglich sei, dass die Atmosphäre die von der Erde reflektierte Sonneneinstrahlung speichere. Ein Körper der Größe der Erde müsse eigentlich viel kälter sein, als diese war, befand Fourier, was für ihn nicht allein von der Hitze aus dem Erdmittelpunkt herrühren konnte. Was er damit in Anfängen beschrieb, sollte uns heute – 200 Jahre später – intensiv beschäftigen: der Treibhauseffekt. Den Begriff verwendete Fourier aber noch nicht, dies tat erst der Meteorologe Nils Gustaf Ekholm Anfang 1900.
Ein früher Pionier der Theorie des Treibhauseffekts: Jean Baptiste Fourier
© Wikipedia
Auch das Wissen, dass der CO2-Gehalt in der Luft Auswirkungen auf die Temperatur haben kann und dass dieser Gehalt vom Menschen erhöht wird, stand schon vor der Wende zum 19. Jahrhundert fest. Der schwedische Wissenschaftler und spätere Nobelpreisträger Svante Arrhenius berechnete im Jahr 1896, dass eine Verdopplung des Kohlendioxidgehaltes in der Atmosphäre zu einer Temperaturerhöhung um vier bis sechs Grad Celsius führen könnte – was er damals allerdings noch als eine positive Entwicklung betrachtete: „Durch Einwirkung des erhöhten Kohlensäuregehaltes der Luft hoffen wir uns allmählich Zeiten mit gleichmäßigeren und besseren klimatischen Verhältnissen zu nähern, besonders in den kälteren Teilen der Erde; Zeiten, da die Erde um das Vielfache erhöhte Ernten zu tragen vermag zum Nutzen des rasch anwachsenden Menschengeschlechtes.”
Zentral für den wissenschaftlichen Brückenschlag zwischen Klima und menschlichem Tun war außerdem der deutsche Meteorologe Hermann Flohn. 1941 veröffentlichte er seine Habilitation mit dem Titel „Die Tätigkeit des Menschen als Klimafaktor“, im selben Jahr begann er als Regierungsrat in der Zentralen Wetterdienstgruppe beim Oberkommando der Luftwaffe zu arbeiten. Seine Forschungen und Erkenntnisse im Bereich der Meteorologie wurden dadurch auch für die Kriegsführung der Nationalsozialisten eingesetzt.
Der Beweis dafür, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auch tatsächlich ansteigt, gelang allerdings erst Ende der 1950er-Jahre durch verstärkte Messungen. Seit 1957 wird unter anderem auf Anregung des Chemikers Charles David Keeling kontinuierlich die atmosphärische CO2-Konzentration auf dem Vulkan Mauna Loa in Hawaii gemessen – und das bis heute. Das Ergebnis: Seit damals ist der CO2-Gehalt in der Luft um ein Viertel angestiegen. Hermann Flohn lernte bei einem Aufenthalt in den USA auch Jule Gregory Charney kennen, der Jahrzehnte später, im Jahr 1979, gemeinsam mit anderen Klimatologen und Forschern den „Charney Report“ (Originaltitel: „Carbon Dioxide and Climate: A Scientific Assessment“) erarbeiten sollte. In dieser frühen wissenschaftlichen Bewertung der Erderwärmung heißt es: „We estimate the most probable global warming for a doubling of CO2 to be near 3° C with a probable error of ± 1,5° C.“
Der Beweis dafür, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auch tatsächlich ansteigt, gelang allerdings erst Ende der 1950er-Jahre durch verstärkte Messungen. Seit 1957 wird unter anderem auf Anregung des Chemikers Charles David Keeling kontinuierlich die atmosphärische CO2-Konzentration auf dem Vulkan Mauna Loa in Hawaii gemessen – und das bis heute. Das Ergebnis: Seit damals ist der CO2-Gehalt in der Luft um ein Viertel angestiegen. Hermann Flohn lernte bei einem Aufenthalt in den USA auch Jule Gregory Charney kennen, der Jahrzehnte später, im Jahr 1979, gemeinsam mit anderen Klimatologen und Forschern den „Charney Report“ (Originaltitel: „Carbon Dioxide and Climate: A Scientific Assessment“) erarbeiten sollte. In dieser frühen wissenschaftlichen Bewertung der Erderwärmung heißt es: „We estimate the most probable global warming for a doubling of CO2 to be near 3° C with a probable error of ± 1,5° C.“
So sehr sich das Wissen um die durch Menschen verursachten Klimaveränderungen verfestigte, so schwer sollte es sein, Entscheidungsträger und Politik zum Handeln zu bewegen. Nicht zu vernachlässigen sind dabei die Bemühungen der Zivilgesellschaft. Angefangen mit Naturschutzverbänden über Umweltschutzorganisationen wie dem WWF (gegründet 1961) oder Greenpeace (gegründet 1971) hin zu Greta Thunberg waren es Menschen aus dem Umweltaktivismus, die jahrzehntelang für die politische Anerkennung der wissenschaftlichen Erkenntnisse kampagnisierten.
„Die erste Umweltbewegung in Österreich, die auch diesen Namen verdient, ist um 1976 rund um das geplante AKW in Zwentendorf entstanden“, erinnert sich der Biologe und langjährige Umweltaktivist Wolfgang Pekny. Er war bei der Entstehung dieser Bewegung maßgeblich beteiligt, bei den ersten Anti-Atomkraft-Demos, bei der Besetzung der Hainburger Au – aus der später die Partei Die Grünen hervorgehen sollte –, bei der Gründung und strategischen Ausrichtung von Greenpeace Österreich. Die Öffentlichkeit begann zu einer Zeit, als Treibhauseffekt und Erderwärmung ein immer breiteres wissenschaftliches Fundament erlangten, überhaupt erst über Umweltschutzanliegen nachzudenken. Atomkraft, Müllentsorgung in der Natur, Wasserverschmutzung standen im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit – nicht CO2 oder andere Treibhausgase.
2023 tagte die COP28 in Dubai. Die Entstehung der Klimakonferenz geht auf die Klimarahmenkonvention aus dem Jahr 1992 zurück
© World Meteorological Organization
1979 fand indes in Genf die erste Weltklimakonferenz statt und auch im Kärntner Villach sollte bald darauf ein Stück Klimageschichte geschrieben werden: 1985 trafen dort 89 renommierte Forscher der World Metereological Organization (WMO), des United Nations Environment Programme (UNEP) und des International Council for Science (ICSU) zusammen. Sie formulierten am Ende ihres Austauschs den dringendsten Appell, den es bis dato von wissenschaftlicher Seite gab: „Erstmals in der Geschichte ist der Mensch dabei, das Weltklima zu ändern!“ In einem Interview erinnert sich die teilnehmende Wissenschafterin Jill Jäger: „Bis zu jenem Zeitpunkt sprach man vom CO2-Problem und sagte eine wesentliche Erderwärmung erst für Ende des 21. Jahrhunderts voraus. In Villach erkannte man die Rolle von Treibhausgasen wie Methan, Ozon oder Fluorchlorkohlenwasserstoffen und zeigte, dass sich durch ihr Zusammenwirken die Erderwärmung schneller bemerkbar machen wird.“ Der große Erfolg sei gewesen, dass die Forscher nicht als Regierungsvertreter gekommen waren. Dadurch sei es möglich gewesen, politische Bedenken außen vor zu lassen und sich allein über Lösungen zu unterhalten.
Als im selben Jahr das Flaggschiff von Greenpeace International, die „Rainbow Warrior”, vom französischen Geheimdienst im Hafen des neuseeländischen Auckland durch einen Bombenanschlag versenkt wurde, richtete sich die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Anliegen der zuvor noch als „Öko-Hippies” verlachten Umweltschützer. Mit dem Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 wurde endgültig evident, dass Umweltschutz keine Lappalie ist. „Wir waren ja anfangs immer die Ewiggestrigen, die Fortschrittsverweigerer, die sagten, wir brauchen keine Atomkraft. Wir waren für die Öffentlichkeit die Wirtschaftsfeinde. Und als Tschernobyl explodierte, wurden die Warner und die Ängstlichen plötzlich zu Propheten“, sagt Wolfgang Pekny.
Der Druck aus der Gesellschaft, transportiert über die Medien, stieg, die warnenden Rufe aus der Wissenschaft wurden lauter. Bei einer weiteren Klimakonferenz in Toronto, 1988, wurden die sogenannten Toronto-Ziele festgelegt, die eine Verminderung der Treibhausgasemissionen um 20 Prozent bis zum Jahr 2005 und um 50 Prozent bis 2050 forderten. Im selben Jahr wurde das IPCC („Intergovernmental Panel on Climate Change“) ins Leben gerufen. Auch die Umweltschutzorganisationen nahmen den Treibhauseffekt in ihre Agenda auf und drängten die Politik zum Handeln. Ein Beispiel aus Österreich: 1990 stellte Greenpeace Österreich ein Treibhaus am Ballhausplatz aus. Zu den Besuchern zählte unter anderem der damalige ÖVP-Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel, der die Warnungen der Aktivisten rund um den Treibhauseffekt noch als „Panikmache der Linken“ abtat. „Wir haben 30 Jahre im Klimaschutz verschlafen – mindestens. Nach Meinung mancher Forscher noch ein paar Jahre mehr. Und für diesen Skandal gibt es keine politische Verantwortung“, sagt Pekny.
Das Treibhaus am Ballhausplatz, das Politikern und Pressevertretern den Treibhauseffekt verständlich machen sollte
© Greenpeace
Einen weiteren Meilenstein in der Klimawandelforschung und -bekämpfung stellte daraufhin die UN-Konferenz über Klima und Entwicklung dar, veranstaltet 1992 in Rio de Janeiro. Das Ergebnis waren eine Klimarahmenkonvention, das erste verbindliche Klimaschutzabkommen, das inzwischen von 197 Vertragsparteien – inklusive Österreich – ratifiziert wurde und eine völkerrechtliche Basis für den Klimaschutz begründet. Auch das größte internationale Abkommen zum Erhalt der Biodiversität – das Übereinkommen über die biologische Vielfalt oder Biodiversitätskonvention genannt – geht aus dem historischen Treffen in Brasilien hervor. Als weitere zentrale Abkommen auf globaler Ebene folgten 1997 das Kyoto-Protokoll mit quantifizierten Reduktionszielen für Treibhausgasemissionen sowie 2015 das Pariser Klimaabkommen, das auf die Beschränkung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius abzielt.
Nach einer 200 Jahre währenden Geschichte der Klimawandelforschung lässt sich hoffen, dass sich eines zukünftigen Tages im Rückblick jener Moment festlegen lässt, der den Wandel hin zu einer klimafreundlichen Lebens- und Wirtschaftsweise einläutete.
Buchtipp:
- Die Vision einer gelungenen Transformation: „Planet in 2050. The Lund Discourse of the Future”, Jager, Jill; Cornell, Sarah. Routledge Studies in Ecological Economics, 2012.
Sarah Kleiner ist freie Journalistin in Wien.