Erdgas, Fernwärme, Biomasse – und was noch? Auf dem Weg zur Wärmewende braucht es Kreativität und Innovation. Moderne Technologien machen es möglich, unterschiedlichste Energiequellen zum Erzeugen von Wärme zu nutzen.
Text: Sarah Kleiner
Innovative Heizsysteme
Mi 05. Juni 2024
Österreich reduziert seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, einerseits um die Klimaziele zu erreichen, andererseits um nicht mehr auf Gaslieferungen aus dem Ausland angewiesen zu sein. „Raus aus Öl und Gas” ist das zugehörige Motto des Klimaschutzministeriums, das den Austausch von Öl- oder Gasheizungen auf ein klimafreundlicheres Heizungssystem fördert. Schließlich strebt Österreich Klimaneutralität bis 2040 an und der Gebäudesektor ist weiterhin eine Baustelle am Weg dorthin.
2021 lagen die Treibhausgas-Emissionen von Gebäuden laut Klimaschutzbericht des Umweltbundesamtes bei rund 9,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, was etwa zwölf Prozent der nationalen Gesamtemissionen in dem Jahr ausmachte. Der Löwenanteil dieser Emissionen – mehr als 80 Prozent – entsteht in Privathaushalten. Der Rest entstammt Gebäuden öffentlicher oder privater Dienstleistungen. Die wesentlichen in Gebäuden entstehenden Treibhausgase – Kohlenstoffdioxid, Methan und Lachgas – rühren hauptsächlich von der Verbrennung fossiler Brennstoffe zum Heizen und Aufbereiten von Warmwasser her.
Auf dem Gebäudesektor konnten hinsichtlich Umweltschutz aber auch schon deutliche Erfolge erzielt werden. Seit 1990 haben die Emissionen in dem Bereich um 30 Prozent abgenommen, was 3,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent entspricht. Das konnte einerseits durch thermische Sanierungen erreicht werden, andererseits durch energieeffizienten Neubau. Ein weiterer Hauptgrund ist die Verdrängung von Kohleheizungen und die Verlagerung der Energieträgeranteile von Heizöl auf Erdgas, Biomasse, Fernwärme und Wärmepumpen. Aber es braucht noch weitere Einsparungen, wenn Österreich bis 2040 tatsächlich emissionsneutral werden will. Zu den vielversprechenden Technologien zählen innovative Heizmethoden, die für die Energiewende von zentraler Bedeutung sind. Sie funktionieren im Wesentlichen über die Nutzung passiver Wärme, die mittels Wärmepumpen aufbereitet und wieder zum Heizen genutzt wird. Die Methode ist bekannt von Passivhäusern, die zu einem gewissen Anteil ihren Energiebedarf über alternative Quellen – wie zum Beispiel die Abwärme von elektrischen Geräten – decken.
Nachbildung des schwedischen „Kungsbrohuset“ in der Ausstellung „Energiewende“
© Technisches Museum Wien/Sebastian Weissinger
In größerer Dimension kommt das Passivhaus-Prinzip zum Beispiel in einem schwedischen Bürogebäude zur Anwendung, das auch Gegenstand der Ausstellung „Energiewende“ des Technischen Museums Wien ist. Der 27.000 Quadratmeter große und 17 Etagen umfassende Bürokomplex „Kungsbrohuset” liegt neben dem Stockholmer Bahnhof und nutzt die menschliche Körperwärme der Bahnhofsbesucher_innen zum Heizen. Ein menschlicher Körper erzeugt je nach Aktivität zwischen 50 und 100 Watt Energie, die sich sinnvoll weiter verwerten lassen. Die Luft aus den Bahnhofshallen wird über Ventilatoren zu unterirdischen Wassertanks transportiert und wärmt diese auf. Das Wasser wiederum fließt über Rohre hundert Meter weiter zum „Kungsbrohuset“ und heizt das Bürogebäude und die eingemieteten Lokale und Geschäfte. Laut Eigenangaben konnte man dadurch den Energieverbrauch um fünf bis zehn Prozent senken.
Gute 1.200 Kilometer Luftlinie entfernt vom geschäftigen Treiben des Bürohauses rattern die Server des Unternehmens Digital Realtys in Wien-Floridsdorf. Auch sie erwärmen die Umluft. Die Abwärme des Rechenzentrums wird seit Kurzem genutzt, um die benachbarte Klinik Floridsdorf zu beheizen. Wien Energie hat in der Klinik eine Wärmepumpenanlage errichtet, die über eine Leitung mit dem Kühlsystem des Rechenzentrums verbunden ist. Im Jänner 2024 wurde die sogenannte Grätzl-Heizung eröffnet. Zwischen 50 und 70 Prozent des Wärmebedarfs des Spitals können so gedeckt werden – eine Einsparung von rund 4.000 Tonnen CO2 pro Jahr. „Dieses Modell wird in unserem ganzen Land Schule machen“, wird Klimaschutzministerin Leonore Gewessler in einer Aussendung zitiert. „Genau aus diesem Grund haben wir die Vorreiter in Wien auch im Rahmen der Umweltförderung finanziell unterstützt.“
Im Jänner 2024 wurde die Grätzl-Heizung in Wien-Floridsdorf eröffnet. Am Bild: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (li.) und die Generaldirektorin des Wiener Gesundheitsverbundes, Evelyn Kölldorfer-Leitgeb
© Wiener Gesundheitsverbund/Agnes Schedl
Die Dekarbonisierung des Gebäudesektors stellt insbesondere für die Stadt Wien eine der größten Herausforderungen bei der Erreichung der Klimaziele dar. Die thermische Sanierung von historischen Bauten ist nur unter Einhaltung strenger Auflagen möglich. Zudem gibt es momentan noch mehr als 500.000 Gasthermen und mehr als 50.000 Gasherde in der Hauptstadt – bis 2040 sollen diese laut Plänen der Wiener Stadtwerke gänzlich mit nachhaltigeren Methoden und Geräten ersetzt sein. Stattdessen sollen Fernwärme, Geothermie und Wärmepumpen zum Einsatz kommen. Allerdings wird die Wiener Fernwärme noch immer zu mehr als der Hälfte aus fossilen Energieträgern hergestellt. Schritt für Schritt soll sie deshalb grüner werden. Dafür setzt man in Wien unter anderem auf die Wärme aus der Kanalisation.
Das Abwasser in den etlichen Kilometer langen Kanalrohren hat im Jahresschnitt eine Temperatur von 16 Grad. Diese Energie kann man mittels Wärmetauschern extrahieren und zum Heizen oder Kühlen nutzen. Auch das bereits gereinigte Abwasser aus der Kläranlage kann auf diese Weise sinnvoll eingesetzt werden, bevor es in den Donaukanal weiterfließt. Mithilfe von Wärmetauschern werden dem Wasser etwa sechs Grad Temperatur entzogen. Diese Energie wird wieder genutzt und trägt dazu bei, über Wärmepumpen Wasser für die Fernwärme auf 90 Grad zu erhitzen. Und das fließt über das Fernwärmenetz in die Wiener Wohnungen, die Fernwärme beziehen.
Wohnungen in Wien werden zum Teil durch die Wärme des Abwassers aus der Kanalisation beheizt
© Stadt Wien
„Wir haben uns im Klimafahrplan vorgenommen, Wien bis 2040 klimaneutral zu machen. Für dieses Ziel setzen wir alle Hebel in Bewegung”, heißt es aus dem Büro von Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky. „Die Kläranlage in Simmering ist ein Vorzeige-Beispiel: Hier werden das Abwasser, der Klärschlamm, die Wasserkraft und die Sonnenenergie genutzt, um sauberen Strom und klimafreundliche Wärme zu gewinnen.” Am Gelände neben der ebs Kläranlage in Wien-Simmering ist für das Projekt die leistungsstärkste Großwärmepumpen-Anlage Europas errichtet worden. Betrieben wird sie mit Strom aus dem Donaukraftwerk Freudenau. In der ersten Ausbaustufe, die bereits abgeschlossen ist, kann nun grüne Fernwärme für 56.000 Haushalte erzeugt werden. Bis Ende 2027 soll der Vollausbau der gesamten Anlage beendet werden. Die erzeugte Fernwärme soll dann für 112.000 Haushalte reichen und das Ende der fossilen Ausbeutung des Planeten rückt mit solchen Vorhaben um einen weiteren kleinen Schritt näher.
Sarah Kleiner ist freie Journalistin in Wien.