Am 27. April 1945 wurde die Unabhängigkeitserklärung Österreichs verkündet – ein historischer Moment, der den Beginn der Zweiten Republik markierte. Doch was folgte, war kein direkter Übergang zur vollständigen Freiheit, sondern eine Zeit der Besatzung durch die Alliierten. Österreich wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt, was das Leben und den Alltag der Menschen maßgeblich beeinflusste.
100 Jahre Radio: Österreich unter alliierter Besatzung
Do 24. Oktober 2024
Wie das österreichische Staatsgebiet wurde auch der Rundfunk, der als wichtiges Kommunikationsmittel diente, der sowjetischen, amerikanischen, britischen und französischen Zone untergeordnet. Dies führte zu einer dezentralisierten Radiolandschaft, die den Grundstein für die späteren ORF-Landesstudios legte.
Karte der alliierten Besatzungszonen in Österreich von 1945 bis 1955
© CC BY-SA 3.0
Besonders Radio Wien, das unter sowjetischer Kontrolle stand, prägte die Radiolandschaft der Nachkriegszeit. Die Bevölkerung nannte den Sender „Russensender“, da er nur in der sowjetischen Besatzungszone empfangen werden konnte. Während Radio Wien mit strenger Zensur zu kämpfen hatte, ließen die Westalliierten den Radiomachern in ihren Zonen größere Freiheiten. So entstanden in den westlichen Zonen Pioniersendungen, die zur Entwicklung einer neuen Radiokultur führten.
Kalter Krieg im Äther: Der Sender Kronstorf
Mit dem aufkommenden Kalten Krieg rückte der Rundfunk immer mehr in den Fokus der geopolitischen Auseinandersetzungen. Ein wichtiges Instrument in diesem Propagandakrieg auf österreichischem Boden war der Sender Kronstorf, der 1952 in der amerikanischen Zone errichtet wurde. Diese Sendeanlage, deren Hauptmast 274 Meter hoch war, war zu ihrer Zeit der höchste in Europa. Der Sender war strategisch nach Osten ausgerichtet, um den sowjetisch besetzten Teil Österreichs mit amerikanischen Programmen zu versorgen. Die US-Amerikaner nutzten Kronstorf, um westliche Werte zu verbreiten und die Bevölkerung gegen den Einfluss der Sowjetunion zu immunisieren.
Sendeanlage Kronstorf in der Ausstellung „100 Jahre Radio. Als Österreich auf Sendung ging“
© Technisches Museum Wien/Franzi Kreis
Kritiker – insbesondere die kommunistische „Österreichische Zeitung“ – bezeichneten den Sender als „Instrument der amerikanischen Kriegsvorbereitungen“. Doch für die US-Amerikaner war er ein Symbol der Freiheit und ein wichtiger Bestandteil ihrer Strategie, Österreich als verlässlichen westlichen Alliierten zu etablieren. Die gigantische Sendeanlage ermöglichte es, auch in den entlegensten Teilen des Landes westliches Radioprogramm zu empfangen, und trug zur Verbreitung von Informationen bei, die oft in direktem Kontrast zur sowjetischen Propaganda standen.
Während die sowjetisch kontrollierten Medien auf offene Propaganda setzten, wählten die westlichen Alliierten subtilere Methoden, um die österreichische Bevölkerung an die westlichen Ideale heranzuführen: Eines der erfolgreichsten Formate war „Die Radiofamilie“, die in der Sendergruppe Rot–Weiß–Rot wöchentlich live ausgestrahlt wurde. Die Serie zeigte das Leben einer fiktiven Familie und stellte die Vorzüge einer liberalen Demokratie dar. Dieser „sanfte“ Ansatz der Westalliierten trug dazu bei, die Menschen für die Demokratie zu gewinnen.
Radioreporter-Ausrüstung um 1955
© Technisches Museum Wien
Der Staatsvertrag: Eine neue Ära für den österreichischen Rundfunk
Im Jahr 1955 war es schließlich so weit: Der Staatsvertrag wurde unterzeichnet und Österreich war wieder ein freies, unabhängiges Land. Am 27. Juli 1955 ging das erste Programm des Österreichischen Rundfunks auf Sendung. Diese Sendung war der Beginn einer neuen Ära für Österreich, das sich von der Besatzungszeit und den Wunden des Krieges erholte. Der Rundfunk spielte eine zentrale Rolle dabei, Österreich auf diesem Weg zu begleiten. Besonders das Radio ermöglichte es den Menschen, trotz der schwierigen Nachkriegszeit Hoffnung und Verbundenheit zu fühlen. Mit dem Start des Österreichischen Rundfunks konnte das Land nun endlich eine eigene, unabhängige Radiolandschaft aufbauen – und damit einen weiteren Schritt in die Zukunft machen.
Jubiläumspublikation
Zum runden Jubiläum des Österreichischen Rundfunks ist die Publikation „Österreichs Radiogeschichte“ im Kral Verlag erschienen. Dieser Begleitband zur aktuellen Ausstellung „100 Jahre Radio. Als Österreich auf Sendung ging“ bietet einen spannenden Einblick in weitere interessante Aspekte der bewegten Radiogeschichte in Österreich. Das Buch ist im Museumsshop sowie online erhältlich und kostet € 29,95 (A).
Cover der Publikation „Österreichs Radiogeschichte. Vom Detektorempfang zum Streamingprogramm“
© Technisches Museum Wien