Mi 15. Januar 2025
In der beeindruckenden Sammlung des Technischen Museums Wien gibt es einen Neuzugang, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, aber eine entscheidende Rolle in einem der größten Infrastrukturprojekte Europas gespielt hat: ein Rollenmeißel, der während des Baus des Koralmtunnels zum Einsatz kam. Seit Jänner 2025 wird dieser in der Wechselausstellung „Objekt im Spotlight“ präsentiert.
Der Koralmtunnel ist mit einer Länge von über 32 Kilometern der längste Eisenbahntunnel Österreichs und das Herzstück der neuen Südbahnstrecke, die Graz und Klagenfurt miteinander verbinden wird. Dieses Mammutprojekt verlangte nach innovativen Technologien und an vorderster Front stand die 600 Tonnen schwere Tunnelvortriebsmaschine (TVM), ein imposantes Ingenieurswunder.
Der Rollenmeißel aus der Sammlung des Technischen Museums Wien: Der Rollenmeißel aus der Sammlung des Technischen Museums Wien
Der Rollenmeißel aus der Sammlung des Technischen Museums Wien
Der Rollenmeißel, ein essenzielles Element dieser Maschine, wurde speziell entwickelt, um das harte Gestein der Koralpe zu durchbrechen. Jeder Meißel hat einen Durchmesser von etwa 50 Zentimetern, wiegt 180 Kilogramm und ist aus hochfestem, verschleißarmen Werkzeugstahl gefertigt. Mit einer Druckkraft von 315 Kilonewton – das entspricht der Gewichtskraft von 20 Autos – wird der Meißel an das Gestein gepresst. Gleichzeitig rotiert er, was für eine gleichmäßige Abnutzung sorgt. Die Lebensdauer eines solchen Meißels beträgt etwa sechs Wochen, bevor er ausgetauscht werden muss.

Das Licht in der Mitte des Tunnels markiert das hintere Ende der Tunnelvortriebsmaschine: Das Licht in der Mitte des Tunnels markiert das hintere Ende der Tunnelvortriebsmaschine
Das Licht in der Mitte des Tunnels markiert das hintere Ende der Tunnelvortriebsmaschine
Noch 120 Meter bis zum Schneidrad. Die Versorgungsleitung wird von einer großen Trommel abgewickelt, wenn sich die Maschine vorwärtsbewegt: Noch 120 Meter bis zum Schneidrad. Die Versorgungsleitung wird von einer großen Trommel abgewickelt, wenn sich die Maschine vorwärtsbewegt
Noch 120 Meter bis zum Schneidrad. Die Versorgungsleitung wird von einer großen Trommel abgewickelt, wenn sich die Maschine vorwärtsbewegt
Hinter den Kulissen des Tunnelvortriebs
Die Tunnelvortriebsmaschine arbeitet wie eine gigantische Bohrmaschine. Sie gräbt sich unaufhaltsam durch das Gestein und hinterlässt dabei den fertig ausgekleideten Tunnel. Das Hauptelement dieser Maschine ist das Schneidrad, in dem 57 Rollenmeißel eingebettet sind. Während des Vortriebs werden vorgefertigte Betonelemente, sogenannte Tübbinge, mit hydraulischer Kraft zu einem präzisen Ring zusammengesetzt. Diese Technik garantiert Stabilität und Sicherheit – unerlässlich bei der Arbeit tief im Berg.

Vorgefertigte Tübbingteile auf einem Transportwagen: Vorgefertigte Tübbingteile auf einem Transportwagen
Vorgefertigte Tübbingteile auf einem Transportwagen
Von der Baustelle ins Museum
Der im Technischen Museum Wien ausgestellte Rollenmeißel wurde im Baulos KAT3 des Koralmtunnels eingesetzt, ein Abschnitt, der auf sechs Kilometern härtestes Gestein überwand und bis zum 17. Juni 2020 eingesetzt wurde. Der Meißel hat einen enormen Energieeinsatz „überlebt“ – allein die Tunnelvortriebsmaschine verbraucht so viel Strom wie 12.000 Haushalte – und war ein Schlüsselwerkzeug beim Durchstich der Koralpe.

Was passiert eigentlich mit den gigantischen Tunnelvortriebsmaschinen nach Abschluss ihrer Mission? Oft erreichen sie ihre Lebensgrenze und werden verschrottet. Manchmal verbleiben sie jedoch in den Tiefen des Berges, wenn der Tunnelbau abschnittsweise wechselt. Sie werden einbetoniert und bilden so einen stillen Zeugen des Bauprojekts.

Der Rollenmeißel hingegen hat seinen Weg aus der Tiefe wieder ans Tageslicht gefunden. Er repräsentiert nicht nur technologische Innovation, sondern auch die unglaublichen Leistungen der Ingenieure und Bauarbeiter, die diese Vision realisiert haben. Seit Jänner 2025 können Besucher_innen des Technischen Museums Wien in der Präsentation „Objekt im Spotlight“ einen Blick auf dieses metallene Stück Tunnelbaugeschichte werfen. Der Rollenmeißel mag klein erscheinen, doch er hat Großes geleistet – und erzählt eine Geschichte, die tief unter der Erde begann und nun in den Räumlichkeiten des Museums weiterlebt.

Der Rollenmeißel wird im Rahmen des Sonderformats Objekt im Spotlight bis Ende März 2025 auf Ebene 4 präsentiert.

Die Bespielungen des Sonderformats „Objekt im Spotlight":
  1. Das „Weltraumfenster“
  2. Leihfahrräder in Wien
  3. Der „Zagato Zele“
  4. Der Rollenmeißel (aktuelle Bespielung)