Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Wiener Weltausstellung beleuchtete das Technische Museum Wien einen bisher wenig beachteten Aspekt des historischen Großereignisses: Denn mit der erstmaligen Errichtung eines „Frauenpavillons“, in dem Frauenarbeiten präsentiert wurden, schrieb die Wiener Weltausstellung 1873 Geschichte.
Der damals völlig neue Ausstellungstyp fand fortan internationale Nachahmung und leistete Pionierarbeit im Sichtbarmachen der weiblichen Arbeitswelt. Diese Tradition hält sich bis heute — zuletzt auf der Expo 2020 in Dubai, demnächst in Osaka 2025. Den roten Faden von 1873 bis in die Gegenwart bildet der Ruf nach Gleichstellung von Mädchen und Frauen in Bildung, Arbeit und Familie.
Frauenarbeiten vor und hinter dem Vorhang
Zur Durchführung der Ausstellung im „Pavillon für Frauen-Arbeiten“ formierte sich in Wien 1872 eine „leitende Central-Commission“. Sie setzte sich aus 20 Männern und 32 Frauen aus Adelskreisen und dem liberalen Bildungsbürgertum zusammen. Viele der beteiligten Frauen engagierten sich ehrenamtlich im Wiener Frauen-Erwerb-Verein und waren Vorkämpferinnen für das Recht auf Ausbildung und Berufsvorbildung für Frauen.
Der Ausstellungsbereich „Nationale Hausindustrie“ überraschte vielleicht weniger – zeigte er doch traditionell weiblich konnotierte (textile) Handarbeiten. Die konzeptionelle Entscheidung zum Bereich „Frauen-Arbeit in der Grossindustrie“ jedoch war aufsehenerregend, denn zum ersten Mal wurden auch weibliche Erwerbsarten in den unterbürgerlichen Schichten thematisiert. Für die Mehrheit der bürgerlichen BesucherInnen war Frauenarbeit in der Industrie damals etwas völlig Unbekanntes und so erfuhren sie erstmals mehr über den Alltag von Arbeiterinnen in unterschiedlichsten Produktionszweigen wie Landwirtschaft, Leder-, Kautschuk-, Metall-, Holz-, Stein-, Glas- und Papierindustrie, Nahrungs- und Genussmittelerzeugung, chemische Industrie, Maschinenwesen, Transportwesen, Kommunikation, Bau- und Zivilingenieurswesen sowie in der Fertigung von wissenschaftlichen und musikalischen Instrumenten. So diente der Frauenpavillon auch der Vermittlung und Vernetzung innerhalb der Frauenschaft und förderte das Verständnis für die Arbeitsbedingungen und Bedürfnisse von Mädchen und Frauen aller Schichten.
Feministische Bewegung oder wirtschaftliche Notwendigkeit?
Die Vorbereitungszeit zur Wiener Weltausstellung stand im Zeichen von Wirtschaftswachstum und dem Erstarken liberaler Kräfte, das Jahr 1873 jedoch war von einem Börsenkrach, wirtschaftlicher Depression und steigender Arbeitslosigkeit geprägt. Vor diesem Hintergrund waren die Zielsetzungen des Frauenpavillons weniger feministisch, sondern vielmehr wirtschaftlich motiviert. Eine wesentliche Voraussetzung und treibende Kraft für die Vernetzung der beteiligten Protagonistinnen und Akteurinnen war der Wiener Frauen-Erwerbs-Verein, der 1866 als erster nicht-konfessioneller Frauenverein gegründet wurde und sich vor allem Themen rund um Schul- und Berufsausbildung für Mädchen und Frauen widmete. Durch die im Frauenpavillon gebotene Aufmerksamkeit und Plattform erfuhren auch die damals noch jungen Frauenbewegungen einen Aufschwung, insbesondere im Kampf um Chancengleichheit bei Bildung und Entlohnung. Dennoch: Die Forderung nach gleichberechtigen Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten – ob nun humanistisch oder wirtschaftlich begründet – hat leider nach wie vor wenig an Aktualität eingebüßt.
Nachhaltige Perspektiven zeigen historisches Ereignis im neuen Licht
Die hybride Jubiläumsausstellung des Technischen Museums Wien zeigt einzigartige Dokumente, die in dieser Form nur hier erhalten sind und untersucht damit die Bedeutung und Auswirkungen des ersten Frauenpavillons auf der Wiener Weltausstellung 1873. Mit zahlreichen Originalobjekten, Archivalien, Fotos gewährt die Ausstellung Einblicke in die damalige Arbeits- und Lebensrealität von Frauen und beleuchtet die Aktivitäten und Initiativen rund um den Frauenpavillon und deren Folgen. Anhand von 1873 ausstellenden Unternehmen wird in einer filmischen Dokumentation der Filmwerkstatt außerdem den wirtschaftlichen und sozialen Kontinuitäten von Frauenarbeit nachgegangen.
Online-Forschungsausstellung „Women at Work“
Auch nach dem Ende von "Women at Work" wird eine multimediale Online-Ausstellung präsentiert, die mit rund 1.000 Digitalisaten zur weiteren Vertiefung einlädt und dauerhaft abrufbar bleibt. Sie dient gleichermaßen als Ausstellung und als Forschungsplattform. Hier wird möglich, was beim Museumsbesuch meist unmöglich ist – die Recherche im Depot. Dieses beherbergt hochauflösende Abbildungen und Volltext-Digitalisate aus dem einzigartigen Weltausstellungsbestand des Technischen Museums Wien sowie spannende Verlinkungen zu Schriften, Archivalien und Sammlungsobjekten, die in der Ausstellung zugunsten eines linearen Narrativs ausgespart wurden. Ziel ist die Fortsetzung der Forschung zum Frauenpavillon – denn es gibt noch vieles zu entdecken zur Geschichte und den Anfängen der österreichischen Frauenbewegung.
Making MINT female
Gefördert aus den Mitteln des Bundeskanzleramtes werden begleitend zur Sonderausstellung auch innovative Vermittlungsformate angeboten, die sich speziell an Mädchen* und Frauen* richten. Dabei werden einerseits stereotype Geschlechterrollen in der Berufswelt reflektiert und durchbrochen, andererseits auch spezielle Workshops angeboten, die zu einem offenen und lockeren Zugang zu MINT-Themen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) ermuntern.
Die Jubiläumsschau anlässlich des 150. Jubiläums der Wiener Weltausstellung war vom 3. Mai bis 2. Juli 2023 im Festsaal des Technischen Museums Wien zu sehen und wurde von einer umfangreichen Online-Ausstellung mit hochaufgelösten Digitalisaten der Originaldokumente begleitet, die dauerhaft abrufbar sein wird.