Das Getriebe verlangte Mensch und Maschine viel ab. Zu Beginn der 1920er versuchten konkurrierende technische Talente diese neuralgische Mensch-Maschine-Interaktion beim Autofahren zu verbessern. Dabei zeigt sich Hybrid ist nicht gleich Hybrid.
Das Erlernen des Autofahrens“, so klagte die Zeitschrift „Österreichischer Motor“ 1923 in einem Artikel, „gestaltet sich beinahe zu einem Martyrium.“ Nicht die Situation auf den Straßen oder unzuverlässige Motoren machten den Autofahrern zu schaffen, sondern die Bedienung ihrer Maschinen, denn, so die Zeitschrift weiter: „selbst der geübte Fahrer schaltet nicht gerne, wenn er nicht unbedingt schalten muß.“ Das Getriebe verlangte Mensch und Maschine viel ab. Auf humaner Seite waren Gefühl und Fingerspitzengefühl gefragt, auf maschineller Seite sorgte das fehlende menschliche Feingefühl für beschädigte Zahnräder und Verschleiß. 
 
Von Talenten und Patenten
Eine Reihe von Technikern und Erfindern suchten zu Beginn der 1920er-Jahre diese neuralgische Mensch-Maschine-Interaktion beim Autofahren zu verbessern. Besonders umtriebig und erfolgreich war Alfred von Soden-Fraunhofen, der sein Sodensches Schnelligkeitsgetriebe am 29. Oktober 1920 einem Fachpublikum im Festsaal des Gewerbeförderungsamtes in Wien vorstellte. Die Allgemeine Automobil-Zeitung widmete dem halbautomatischen Soden-Getriebe daraufhin einen ausführlichen Artikel und pries das „technische Talent“ von Soden. Viele Unterlagen des Herstellers ZF Friedrichshafen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Im erhaltenen Zeichnungsbuch, das die Interessenten für Soden-Getriebe vermerkte, finden sich viele großen Namen der österreichischen Automobilproduktion: Austro Fiat (ÖAF), Fross Büssing, Gräf & Stift und Steyr. Ein Hersteller indes fehlt: Austro Daimler in Wiener Neustadt – damals noch unter der Leitung von Ferdinand Porsche. Generaldirektor Ferdinand Porsche hatte auf die Lobpreisungen des Sodenschen Getriebes bereits unmittelbar, im Dezember 1920, reagiert und auf sein Patent von 1915 verwiesen, dass das Prinzip des Sodenschen Getriebe bereits mit einem elektrischen Druckknopf vorweggenommen habe. Leicht indigniert betonte er „unsere Priorität“ und bat um „gefl.[issentliche] Berücksichtigung.“
 
„Mixte“ versuchen Reichweite und Fahrerlebnis zu kombinieren
Vermutlich ist es dieser Hintergrund von faulen Gangschaltern und konkurrierenden technischen Talenten, mit dem sich die Entstehung des Austro-Daimler ADM-E von Ferdinand Porsche besser verstehen lässt. Dieser Versuchskraftwagen mit benzinelektrischem Motor ist zeitlich auf den ersten Blick überraschend. Ferdinand Porsche hatte bekanntermaßen auch Hybridfahrzeuge gebaut, aber die ersten stammten von der Jahrhundertwende. Gemeinsam mit Ludwig Lohner hatte Ferdinand Porsche bei der Pariser Weltausstellung 1900 mit einem Fahrzeug mit elektrischen Radnabenmotor die Goldmedaille errungen. Ein solcher elektrischer Phaeton ist heute noch im Technischen Museum Wien zu besichtigen. Gepriesen wurde das Fahrzeug nicht nur für seine technische Leistungen, sondern auch für das Fahrerlebnis. So lobte die AAZ: „In den vollkommen geräuschlosen, weich gefederten und behaglich gepolsterten Lohner-Porsche-Automobilen glaubt man eher auf einem Schiff als auf einem Wagen zu sein. Es ist nämlich das Gefühl einer sanft gleitenden und nicht das einer rollenden Bewegung, das man im Fond empfindet.“ Aber die Reichweite der elektrischen Fahrzeuge war aufgrund der Kapazitäten der Akkumulatoren beschränkt. Deshalb entwickelte Lohner-Porsche einen „Mixte“, bei dem ein Benzinmotor einen Generator antrieb, der die elektrische Energie für die Radnaben-Motoren lieferte. Ein solcher Mixte steht heute im Fahr(t)raum in Mattsee.
1922 entschied sich Ferdinand Porsche, der Leiter der Fahrzeugentwicklung bei Austro-Daimler in Wiener Neustadt war, erneut, ein Chassis aus der damals neu konstruierten ADM-Serie versuchsweise mit einem benzinelektrischen Antrieb auszustatten. Die Vorzeichen waren genau umgekehrt zur Situation um 1900: 20 Jahre später ging es nicht mehr darum, die Reichweite des elektrischen Fahrzeugs zu erweitern, sondern vielmehr die Bedienungsfreundlichkeit und das Fahrerlebnis des Benziners zu verbessern.
 
Porsche ADM-E: Elektromotor funktioniert als Getriebe
Der sogenannte Austro-Daimler ADM-E (E für elektrisch) verfügte über einen serienmäßigen 6-Zylinder-Frontmotor vom Type ADM. Wie auch beim Serienfahrzeug wird der Benzinmotor des ADM-E durch einen elektrischen Anlasser am Lenkrad gezündet. Er ist direkt gekuppelt mit einem dahinter im Block angeordneten elektrischen Generator, der den Strom für den angeschlossenen, regelbaren Elektromotor produziert. So konnte der ADM-E also ganz ohne kompliziertes Schalten und Einlegen des Ganges gefahren werden, denn der regelbare Elektromotor funktioniert als elektrisches Getriebe. Porsche gab für den ADM-E eine Leistung von 52 PS / 38 kW an. In späteren Publikationen findet sich auch die Angabe von 60 PS /44 kW. In Serie ging Porsches Prototyp indes nie.
Getriebe waren vermutlich der Anlass für die Entstehung des ADM-E, getrieben wanderten Fahrzeug und Schöpfer zwischen 1923 und 1935 zwischen Österreich und Deutschland hin und her. Austro-Daimler hatte sich 1923 von Ferdinand Porsche und seinen kostspieligen Experimenten getrennt, dieser ging daraufhin als Leiter des Konstruktionsbüros und Vorstandsmitglied der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) nach Stuttgart und nahm den Versuchskraftwagen mit. Als der Vertrag von Porsche mit Daimler-Benz 1928 endete, ging er zurück nach Österreich und arbeitete von 1929 bis 1930 für die Steyr-Werke. Der ADM-E kam mit und blieb zunächst in Steyr, als Porsches Engagement abrupt endete. 1935, Porsche war inzwischen wieder zurück nach Stuttgart gewechselt und hatte sein eigenes Konstruktionsbüro gegründet, schenkte er das Fahrzeug dem Technischen Museum Wien.
 
Anne Ebert ist Leiterin der Sammlungsabteilung „Mobilität“ im Technischen Museum Wien
Austro-Daimler ADM-E (E für elektrisch), 1922
Austro-Daimler ADM-E (E für elektrisch), 1922
Anstelle des serienmäßigen Bienenkorb-Kühlers kommt beim ADM-E eine etwas andere, vermutlich frühere Kühler-Variante zum Einsatz
Anstelle des serienmäßigen Bienenkorb-Kühlers kommt beim ADM-E eine etwas andere, vermutlich frühere Kühler-Variante zum Einsatz
Kühlergrill des Austro-Daimler ADM-E, Detailaufnahme
Kühlergrill des Austro-Daimler ADM-E, Detailaufnahme
Die Drahtspeichenräder sind noch original, die Reifen wurden in neuerer Zeit ersetzt
Die Drahtspeichenräder sind noch original, die Reifen wurden in neuerer Zeit ersetzt
Der ADM-E ist ein Hybridfahrzeug und verfügt über zwei Motoren, einen elektrischen und einen Benzinmotor. Der Benzinmotor wird durch einen elektrischen Anlasser am Lenkrad gezündet
Der ADM-E ist ein Hybridfahrzeug und verfügt über zwei Motoren, einen elektrischen und einen Benzinmotor. Der Benzinmotor wird durch einen elektrischen Anlasser am Lenkrad gezündet