Eine gesunde, regionale, leistbare, saisonale Küche mit biologischen Produkten, die auf das Tierwohl Rücksicht nimmt. Eine Vision? Immer mehr Städte verabschieden politische Abkommen, ihre Gemeinschaftseinrichtungen biologisch zu versorgen. Dazu haben sie sich zum europäischen „Netzwerk Biostädte“ zusammengeschlossen.
Text: Ilse Huber
Biologisch Essen auf gutem Grund
Mi 02. März 2022
Wer will, findet auf den städtischen Frischmärkten Pitahaya, Sternfrucht, Litschi oder Cherimoya. Ein exotischer Augenschmaus – mit fahlem Nachgeschmack. Die Avocado wurde zum Inbegriff einer Umweltsünde: Intensive Plantagenwirtschaft, hoher Wasserverbrauch im Anbau und dann auch noch der lange Transport! Alles andere als ökologisch, regional und nachhaltig.
Was also tun für gesundes Essen für Mensch und Umwelt? Dazu braucht es einen größeren Horizont. 2015 brachte das Pariser Klimaschutzabkommen erste Impulse. Die globale Temperatur soll nicht über 1,5 Grad Celsius steigen und damit den Treibhausgasausstoß eingrenzen. Immerhin trägt die menschliche Ernährung mit 20 Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen bei, errechnete kürzlich die Umweltberatung. Brot, Milch, Fleisch, Früchte und Gemüse müssen ja irgendwie erzeugt, veredelt und vertrieben werden. „Je größer der Bioanteil und je weniger tierische Lebensmittel in unserer Ernährung sind, desto größer ist unser Beitrag zum Klimaschutz“, so die Umweltberatung im Oktober 2021. Vor allem, wenn weniger Essen weggeworfen wird.
Vor fast zwanzig Jahren haben sich das die Einwohner_innen der piemontesischen Stadt Grugliasco auch schon gedacht. Bei einem Referendum, das ihr Bürgermeister, ein Arzt, initiierte, beschlossen sie, zur „Città del Bio“ zu werden. Es sollte zum Vorzeige-Modell über den rein landwirtschaftlichen Aspekt hinaus werden. Denn Gesundheit, handwerkliche Produktion, Regionalität, Nachhaltigkeit und Bildung sollten zum großen Ganzen verschmelzen. Inzwischen haben sich 40 italienische Städte dieser Maxime angeschlossen.
Was also tun für gesundes Essen für Mensch und Umwelt? Dazu braucht es einen größeren Horizont. 2015 brachte das Pariser Klimaschutzabkommen erste Impulse. Die globale Temperatur soll nicht über 1,5 Grad Celsius steigen und damit den Treibhausgasausstoß eingrenzen. Immerhin trägt die menschliche Ernährung mit 20 Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen bei, errechnete kürzlich die Umweltberatung. Brot, Milch, Fleisch, Früchte und Gemüse müssen ja irgendwie erzeugt, veredelt und vertrieben werden. „Je größer der Bioanteil und je weniger tierische Lebensmittel in unserer Ernährung sind, desto größer ist unser Beitrag zum Klimaschutz“, so die Umweltberatung im Oktober 2021. Vor allem, wenn weniger Essen weggeworfen wird.
Vor fast zwanzig Jahren haben sich das die Einwohner_innen der piemontesischen Stadt Grugliasco auch schon gedacht. Bei einem Referendum, das ihr Bürgermeister, ein Arzt, initiierte, beschlossen sie, zur „Città del Bio“ zu werden. Es sollte zum Vorzeige-Modell über den rein landwirtschaftlichen Aspekt hinaus werden. Denn Gesundheit, handwerkliche Produktion, Regionalität, Nachhaltigkeit und Bildung sollten zum großen Ganzen verschmelzen. Inzwischen haben sich 40 italienische Städte dieser Maxime angeschlossen.
Logo „Città del Bio“
© Città del Bio
Die Idee der „Città del Bio“ erreichte 2009 Deutschland, sieben Jahre später wurde dort das „Netzwerk Biostädte“ gegründet. Im Jahr 2018 folgte schließlich das „Organic Cities Network Europe“. Ein internationaler Verbund aus italienischen, deutschen, österreichischen, französischen und slowenisch-kroatischen Städten. Wien war Gründungsmitglied und verfolgt mit seinen Partner-Kommunen das Ziel, Menschen in städtischen Einrichtungen biologische Lebensmittel anzubieten. Denn nicht jeder und jedem soll es allein überlassen bleiben, gesundes, frisches, regionales, saisonales und erschwingliches Bio-Essen zu bekommen. Der Direktor des europäischen Netzwerks, Claudio Serafini, stammt aus Siena. Er ist Philosoph und von der Bedeutung dieser Initiative überzeugt: „Allein schafft man nicht vieles für den ökologischen Wandel.“ Es braucht einen größeren Hebel. Wie eben Städte. Sie sind Drehscheibe für Veränderung. Um Mitglied im „Organic Cities Network Europe“ zu werden, braucht es einen Ratsbeschluss, biologische Landwirtschaft zu fördern und biologische Lebensmittel breitflächig anzubieten. Ebenfalls im Fokus: Tierwohl und Vermeidung von Lebensmittelabfällen. Direktor Claudio Serafini: „Es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger dies wahrnehmen. Dann besteht die Chance, die gemeinsame Agrarpolitik zu verändern.“
Verbreitung in Europa
© Organic Cities Network Europe
Vom Boden auf den Teller
Intakte Böden, gesunde Ernährung, glückliche Tiere und kurze Transportwege sind zumindest gute Voraussetzungen dafür. Die Stadt und ihr Umland verschmelzen zu einer „Prosumenten-Region“. Soll heißen: Die Produktion von Obst und Gemüse, Fleisch und Milch befindet sich in der Nähe der Konsumentinnen und Konsumenten. Diese können sich die Lebensmittel leisten und bekommen sie frisch auf den Teller. Sei es in Spitälern, Kindergärten, Schulen und Pflegeeinrichtungen. Über die Gemeinschaftsverpflegung kann viel bewegt werden, sagt Thomas Mosor. Er arbeitet in der Wiener Umweltschutzabteilung, ist der Leiter von „Ökokauf Wien“, einem Programm zur umweltfreundlichen Beschaffung von Gütern für das Magistrat, und er hat 2020 den Lebensmittelaktionsplan „Wien isst G.U.T“ (Gesund und genussvoll, klimafreundlich und tierfair) ins Leben gerufen. Seine bisherige Bilanz? „Wien liefert 100.000 Mahlzeiten pro Tag an Schulen, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Kindergärten.“ In Schulen beträgt die Bioquote 50 Prozent, bei den anderen Einrichtungen sind es rund 35 Prozent. Da Wien bis zum Jahr 2040 klimaneutral sein will, erhofft sich Thomas Mosor eine Steigerung auf 70 beziehungsweise 50 Prozent Bioanteil.
Urbane Kettenreaktion
Andere europäische Städte haben Fortschritte gemacht. Neben Augsburg, Bremen, Leipzig und den anderen 19 deutschen Städten ist auch München Teil des „Organic Cities Networks Europe“. In den Münchner Kindertagesstätten gibt es 50 Prozent Bioanteil.
Paris besitzt 30 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Das ist verglichen mit Wien, wo allein im forst- und landwirtschaftlichen Betrieb 1.000 Hektar Ackerland und 60 Hektar Weingärten bewirtschaftet werden, zwar relativ klein. Doch der Pariser Ehrgeiz ist groß. Sämtliche Flächen – ob Dächer, Wände und andere Freiflächen – sollen mit Essbarem bepflanzt werden. Audrey Pulvar ist seit Juni 2020 Vizebürgermeisterin von Paris und zuständig für nachhaltige Ernährung, Landwirtschaft und kurze Lieferwege. Sie will auch mit den Bauern des Umlandes Direktverträge abschließen, damit biologisch erzeugte Lebensmittel in städtische Einrichtungen geliefert werden können. 2020 wurde die weltgrößte Dachfarm in der französischen Hauptstadt eröffnet. Sie soll globales Beispiel für nachhaltige Lebensmittelproduktion werden.
Intakte Böden, gesunde Ernährung, glückliche Tiere und kurze Transportwege sind zumindest gute Voraussetzungen dafür. Die Stadt und ihr Umland verschmelzen zu einer „Prosumenten-Region“. Soll heißen: Die Produktion von Obst und Gemüse, Fleisch und Milch befindet sich in der Nähe der Konsumentinnen und Konsumenten. Diese können sich die Lebensmittel leisten und bekommen sie frisch auf den Teller. Sei es in Spitälern, Kindergärten, Schulen und Pflegeeinrichtungen. Über die Gemeinschaftsverpflegung kann viel bewegt werden, sagt Thomas Mosor. Er arbeitet in der Wiener Umweltschutzabteilung, ist der Leiter von „Ökokauf Wien“, einem Programm zur umweltfreundlichen Beschaffung von Gütern für das Magistrat, und er hat 2020 den Lebensmittelaktionsplan „Wien isst G.U.T“ (Gesund und genussvoll, klimafreundlich und tierfair) ins Leben gerufen. Seine bisherige Bilanz? „Wien liefert 100.000 Mahlzeiten pro Tag an Schulen, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Kindergärten.“ In Schulen beträgt die Bioquote 50 Prozent, bei den anderen Einrichtungen sind es rund 35 Prozent. Da Wien bis zum Jahr 2040 klimaneutral sein will, erhofft sich Thomas Mosor eine Steigerung auf 70 beziehungsweise 50 Prozent Bioanteil.
Urbane Kettenreaktion
Andere europäische Städte haben Fortschritte gemacht. Neben Augsburg, Bremen, Leipzig und den anderen 19 deutschen Städten ist auch München Teil des „Organic Cities Networks Europe“. In den Münchner Kindertagesstätten gibt es 50 Prozent Bioanteil.
Paris besitzt 30 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Das ist verglichen mit Wien, wo allein im forst- und landwirtschaftlichen Betrieb 1.000 Hektar Ackerland und 60 Hektar Weingärten bewirtschaftet werden, zwar relativ klein. Doch der Pariser Ehrgeiz ist groß. Sämtliche Flächen – ob Dächer, Wände und andere Freiflächen – sollen mit Essbarem bepflanzt werden. Audrey Pulvar ist seit Juni 2020 Vizebürgermeisterin von Paris und zuständig für nachhaltige Ernährung, Landwirtschaft und kurze Lieferwege. Sie will auch mit den Bauern des Umlandes Direktverträge abschließen, damit biologisch erzeugte Lebensmittel in städtische Einrichtungen geliefert werden können. 2020 wurde die weltgrößte Dachfarm in der französischen Hauptstadt eröffnet. Sie soll globales Beispiel für nachhaltige Lebensmittelproduktion werden.
Dachfarm in Paris
© Magali Delporte Eyevine / picturedesk.com
Viel ist in Bewegung. Auch in Wien, wo die „Bioforschung Austria“ wesentlich daran mitwirkt, die Böden mit Zwischenbegrünungen, durch Humusaufbau und durch Förderung der Biodiversität langfristig zu pflegen. Die Böden bringen Hochwertiges hervor. Allein im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Stadt Wien werden fast 2.000 Tonnen Getreide, über 3.000 Tonnen Feldgemüse und 500 Tonnen Erdäpfel pro Jahr geerntet. Ein Teil geht direkt in die Küchen der Gemeinschaftseinrichtungen. Ein anderer Teil findet sich als Amilo-Bio-Roggen-Vollkornmehl in diversen Broten.
Landwirtschaft in der Donaustadt
© Robert Kalb / picturedesk.com
Für Claudio Serafini sind das Alles gute Entwicklungen: „Wir haben die Chance mit der Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger unsere Lebensweise nachhaltig zu verändern.“ Das hat inzwischen auch die Europäische Union wahrgenommen. Sie will nächstes Jahr erstmals einen Preis für Städte mit der besten Versorgung mit Biolebensmitteln ausschreiben.
Ilse Huber (Ö1) macht Natur und Wissenschaft multimedial zum Thema.
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