Fortschritte bei der Entwicklung von Kunststoffen sowie eine größere gesellschaftliche Offenheit gegenüber dem Thema Sexualität ändern unser Verhältnis zu „Sexrobotern“. Sie werden rein äußerlich dem Menschen immer ähnlicher. Doch wie sieht es mit der eingebauten Technik aus? Werden sie auch „intelligenter“?
Text: Christian Stadelmann
Leblose Lustobjekte
Di 15. Dezember 2020
Seit einigen Jahren lässt sich eine intensive mediale Debatte über Sexpuppen und „Sexroboter“ konstatieren. Nicht nur in Lifestyle-Magazinen und der Boulevardpresse wird die Diskussion ausgetragen, auch in Nachrichtenmagazinen und auf Wissenschaftsportalen. Von Seiten der Gegner_innen wird erklärt, diese Objekte seien höchst problematisch, da von vornherein frauenverachtend. Sie würden die Vorstellung befördern, dass Frauenkörper und damit Frauen generell für Männer bestimmt seien. Dieser Sachverhalt rechtfertige sogar ein Verbot von „Sexrobotern“. Das Hauptargument der Befürworter_innen lautet, dass „Sexroboter“ einen ungezwungeneren Umgang mit Sexualität ermöglichen. Und dass auch Personen, denen auf andere Weise der Zugang dazu erschwert ist, behinderte oder alte Menschen etwa, ein erfülltes Sexualleben haben könnten. Womöglich könnten damit sogar Prostitution und Vergewaltigungen verhindert oder auch Pädophilie kanalisiert werden.
Gelegentlich taucht in diesem Zusammenhang auch die Frage auf, warum fast nur von weiblichen „Sexrobotern“ die Rede ist, und tatsächlich findet man so gut wie nie Illustration von einem, dessen äußere Erscheinung einem Mann nachempfunden wäre. Die Erklärungen fallen eher dürftig aus. Frauen seien nicht so sehr visuell orientiert wie Männer und hätten insgesamt andere Vorstellung von Sex als Männer. Ob einfach auch unterschiedliche Vorstellungen über die technische Lösbarkeit von sozialen Fragen herrscht, ist nicht erforscht.
Gelegentlich taucht in diesem Zusammenhang auch die Frage auf, warum fast nur von weiblichen „Sexrobotern“ die Rede ist, und tatsächlich findet man so gut wie nie Illustration von einem, dessen äußere Erscheinung einem Mann nachempfunden wäre. Die Erklärungen fallen eher dürftig aus. Frauen seien nicht so sehr visuell orientiert wie Männer und hätten insgesamt andere Vorstellung von Sex als Männer. Ob einfach auch unterschiedliche Vorstellungen über die technische Lösbarkeit von sozialen Fragen herrscht, ist nicht erforscht.
Was sie alles können
Gewissermaßen zum Drüberstreuen kommen in den Diskussionen auch die Entwickler_innen und Händler_innen der Produkte zu Wort, die diese selbstredend verteidigen. Ihre Kunden seien „ganz normale Menschen“ aus allen sozialen Schichten, erklären sie, und vorrangiges Motiv, eine Puppe zu kaufen, sei ohnehin das Bedürfnis nach Gesellschaft.Ausstellungsinszenierung mit Sexpuppe „Lina“, Hersteller: Sanhui Model Making Co. Ltd, Nanning (China), 2020
© Technisches Museum Wien/Sebastian Weissinger
Der US-amerikanische Entwickler Matt McMullen argumentiert genau so. Bei seinen Robotern gehe es hauptsächlich „um Geselligkeit und Freundschaft, der Sex sei sekundär.“ Der von ihm konstruierte „Roboter“ namens „Harmony“ sei viel mehr als nur Lustobjekt. Die Kunden „wollen Händchen halten und eine Umarmung bekommen, wenn sie nach Hause kommen.“
Wie das mit der Umarmung in der Praxis funktionieren soll, ist allerdings höchst unklar. Denn keine auf dem Markt angebotene Puppe, kein in Entwicklung befindlicher Roboter ist zu solch einer Geste auch nur ansatzweise fähig. Arme und Beine sind zwar beweglich, müssen aber relativ umständlich in ihren Positionen verändert werden.
Produzenten können derzeit lediglich einen wie auch immer „intelligenten“ Kopf auf eine Puppe setzen, die insgesamt vollkommen unbeweglich ist. In den Medien heißt das dann, dass „sie“ sich mit Ihnen über Aktien und Fußball unterhalten könne. Tatsächlich hat man bislang nur zwischen verschiedenen Modi wählen können. „Frigid Farrah“ kann zum Beispiel sagen: „Ich liebe es, mit dir Händchen zu halten“. Und „Wild Wendy“ weiß, dass es einen Ort gibt, „an den du diese Hand legen könntest“. Dass sich dabei nicht einmal die Lippen des Roboters bewegen, sondern eine Stimme aus der Mitte seines Kopfes kommt, ist wohl schon nebensächlich.
Unbeschadet dessen sind die Entwicklungsfirmen vorgeblich voll auf Kurs. Die kalifornische Firma Realbotix arbeitet an „Harmony“, die spanische Firma Synthea Amatus an „Samantha“ und AI Tech aus Shenzhen hat „Emma“ im Programm. „Im Jahr 2050 werden wir mehr Sex mit Robotern als mit Menschen haben“, prophezeite der Trendforscher Ian Pearson schon vor einigen Jahren. Als Referenz dafür dient „Roxxxy“, der erste namentlich so genannte „Sexroboter“, der 2010 unter großem medialem Getöse auf einer Erotikmesse in Las Vegas präsentiert worden ist. Danach ist er jahrelang angekündigt und auch feilgeboten, offenbar aber nie verkauft worden. Die Webseite des Herstellers ist mittlerweile vom Netz. Dass diesen „Sexroboter“ niemand von denen, die darüber schreiben, auch gesehen hat, unterstreicht nur, wie phantasiegeleitet und gleichzeitig faktenarm die öffentliche Diskussion verläuft.
Sexpuppe „Lina“, Detailaufnahme
© Technisches Museum Wien/Sebastian Weissinger
Sexpuppe „Lina“, Detailaufnahme
© Sebastian Weissinger/Technisches Museum Wien
Technischer Fortschritt
Versucht man die spärlichen Hinweise auf die Technik zu analysieren, die hinter „Sexrobotern“ steckt, dann geht es zunächst einmal um Künstliche Intelligenz. Zwar ist nie ganz klar, wie solche eingesetzt werden soll, aber es wird erklärt, was sie können soll: kommunizieren nämlich. „Harmony“ beherrscht angeblich Dirty Talk, heißt es. Aber „sie“ soll auch die „Illusion von Einfühlungsvermögen“ entwickeln können. Wenn Sie sie fragen, „wie es Ihnen geht, und Sie sagen: Ich bin traurig‘, antwortet sie mit so etwas wie: Es tut mir leid. Warum bist du traurig?‘ oder Möchtest du darüber reden?‘“ Wie das – sowohl in der Praxis als auch technisch – funktioniert, wird nicht erklärt. Wenn es nicht, wie bei einem Spiel, ein Regelwerk und eine Zielvorgabe gibt, muss Künstliche Intelligenz trainiert werden, damit sie halbwegs funktioniert. Sie benötigt massenhaft personenbezogene Daten, damit sie auf eine bestimmte Frage auch eine adäquate Antwort geben kann. Wird nun dieses Training bei den Anwender_innen durchgeführt? Falls ja, so geschieht es völlig unkontrolliert. Niemand überprüft, wo welche Fehler gemacht werden, die korrigiert werden müssten. Und dementsprechend weiß auch niemand, welche „Persönlichkeit“ der „Sexroboter“ entwickelt. Im Fall aber, dass dieses Training kontrolliert durchgeführt wird, sind die Anbieter_innen dafür zuständig. In der Art, wie dies bereits bei Kinderpuppen versucht worden ist, müssten sie dann die Kommunikation mit ihrem Roboter laufend analysieren, interpretieren und wieder an den Roboter zurückspielen. Abgesehen davon, dass ungeklärt ist, wer seine Kommunikation an das Herstellerunternehmen rückmelden möchte, ist wohl ebenso ungeklärt, wie diese Daten in die Verbesserung des Systems übertragen werden sollen. Künstliche Intelligenz in Bezug auf „Sexroboter“ bleibt also zunächst ein unbestimmtes Schlagwort ohne konkrete Substanz.Weiche Haut
Tatsächlich ist es nicht die den Puppen innewohnende Technik, die das vor etwa zehn Jahren neu erwachte große Interesse verursacht hat. Dafür verantwortlich ist schlicht das Material, aus dem deren Oberflächen gefertigt sind. Bestanden die Puppen der 1970er-Jahre zumeist noch aus Latex oder einem PVC-Gemisch, sowie später aus „weichem PVC“, so setzte sich ab 2008 immer häufiger Silikon durch. Silikon wurde zum Standardmaterial für den Körper der Puppen und ist es bis heute geblieben. Lediglich thermoplastische Elastomere, die sich weicher anfühlen, werden daneben noch verwendet.Verschiedene Modelle mit Silikon-Oberflächen
© Shutterstock / Alex Raysikh
In der Geschichte der Robotik hat es nie technische Besonderheiten gegeben, die beeindruckender gewesen wären als die äußere Erscheinung und die Wahrnehmung derselben. Hat ein Roboter Zigarette geraucht oder einer Frau zugezwinkert, ist das allemal beeindruckender gewesen als wenn er wirklich gehen hätte können. Das höhere Gewicht, die Möglichkeit, die Positionierung der Gliedmaßen zu verändern und Körperteile auszuwechseln, mögen zwar auch von Bedeutung sein, aber einen technischen Fortschritt repräsentieren diese Eigenschaften nicht. Nur im Bereich des Kunststoffs hat in den letzten beiden Jahrzehnten tatsächlich eine bemerkenswerte Entwicklung stattgefunden. Und diese ist insofern entscheidend, als die Puppen nunmehr deutlich lebensechter ausschauen. Die äußere Wahrnehmung ist zweifellos der bestimmende Faktor für die Akzeptanz dieser Geräte und phantasmagorische Prophezeiungen, die daran geknüpft werden.
Literaturhinweis:
Christian Stadelmann: Neues vom Schöpfungsakt. Bemerkungen zur Entwicklung von „Sexrobotern“. In: Blätter für Technikgeschichte, Band 81 (2021), S. 77-102.
Christian Stadelmann (Technisches Museum Wien): Studium der Volkskunde, Kurator der Ausstellung „Künstliche Intelligenz?“.