Künstliche Intelligenz, stellte die EU in einem Grundlagenpapier Anfang 2020 fest, wird unser Leben positiv verändern, indem sie zur Bewältigung der Klimakrise beiträgt. Doch können Algorithmen wirklich Klimaschützer sein?
Vielfach verspricht man sich durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) Optimierung. Effizienz durch Intelligenz. So sollen etwa Waschmaschinen selbst die beste Zeit für den Waschgang wählen. Das ist jene Zeit, wo der Anteil erneuerbarer Energien im Strommix maximal ist, also in der Nacht. Jedoch braucht es dafür nicht allzu viel Intelligenz und wohl auch keine künstliche. Herkömmliche Geräte haben bereits Timer und wer schlau ist, zettelt keinen Lärmkrieg mit den Nachbar_innen an.Woanders hat sich Effizienzsteigerung aber durchaus bewährt: Die britische Firma DeepMind – bekannt für AlphaGo, das 2016 im asiatischen Brettspiel Go triumphierte – unterstützte den Internetgiganten Google dabei, den Betrieb seiner Datenzentren zu optimieren. Durch intelligente Steuerung und Kühlung konnten 15 Prozent des horrenden Energieverbrauchs eingespart werden.
Sei es im Verkehr einer „Smart City“, sei es in der Energieversorgung durch ein „Smart Grid“ (intelligentes Stromnetz), sei es in den Haushalten als „Smart Homes“, überall dort könnten uns effizientere Systeme helfen, Energie zu sparen. Umgesetzt ist von dieser „Versmartung“ noch wenig. Und unabhängig davon ist fraglich, ob die Optimierung letztlich Treibhausgase einspart.
Denn es gibt den so genannten „Rebound-Effekt“. Er beschreibt, wie gewonnene Einsparungen durch gesteigerte Nutzung kompensiert werden. Unterm Strich bleibt die Klimabelastung gleich. Klassisches Beispiel dafür ist die LED-Lampe, die zwar die stromfressende Glühbirne ersetzte, aber heute in weit höherer Zahl verbaut wird.
Im Ausstellungsbereich „Mobilität im Wandel“ wird dieser Effekt anhand des autonomen Autos diskutiert. Die Hoffnung, dass damit Parkplatzprobleme und Staus reduziert werden, könnte geradewegs ins Gegenteil umschlagen. Denn der Komfort der autonomen Fahrweise wird möglicherweise viele dazu veranlassen, sich noch öfter und noch länger mit dem Auto kutschieren zu lassen. Die oberste Prämisse ist also nicht Effizienz, sondern insgesamt weniger Energie zu verbrauchen.
Neue Forschungszweige durch maschinelles Lernen
Wie die Technologie gegen Erderhitzung eingesetzt werden kann, beschäftigt auch die Spitzenvertreter_innen der internationalen KI-Forschung. Sie gründeten 2019 das Projekt „Climate Change AI“. Ihr Report listet zahlreiche Anwendungsgebiete auf und markiert jene, die ihre Wirkung noch vor 2040 entfalten könnten. Das sind die besagten Optimierungen, aber auch das bessere Verständnis des Weltklimas.
Maschinelles Lernen ist überaus hilfreich, um Muster in den Millionen von täglichen Klimadaten zu erkennen. Rachel Furner von der Universität Cambridge versucht etwa, die atmosphärischen Auswirkungen der Tiefsee zu verstehen – mithilfe von KI. Die zwei Kilometer an den Oberflächen der Meere können relativ gut mit Satellitenbildern analysiert werden. Der Großteil der Ozeane liegt aber in einer Tiefe von drei bis vier Kilometer. Deren Wirkung auf das Weltklima ist noch unklar. Furner will aus den Daten der oberen Schichten Rückschlüsse auf die darunterliegenden ziehen. Auf ähnliche Weise könnten intelligente Algorithmen der Wissenschaft helfen, sowohl lokales als auch extremes Wetter aus den globalen Klimamodellen zu extrahieren.
Leider spart besseres Verständnis per se keine Treibhausgase ein. Es würde Politiker_innen zwar ermöglichen, besser informierte Entscheidungen zu treffen, jedoch scheint Klimaschutz niemals an Unwissen gescheitert zu sein. Seit 50 Jahren sind Fakten und wirksame Maßnahmen bekannt. Somit dient KI zwar der Klimaforschung, die Klimakrise löst sie so aber nicht. In einem anderen Forschungsbereich könnte sie allerdings den entscheidenden Unterschied machen: bei der – überaus langwierigen – Erforschung neuer Materialien. Selbst wenn man diese nur am Computer simuliert, lässt die schiere Menge an Möglichkeiten die Lüftungen der Rechenzentren qualmen. KI könnte die Suche mit Mustererkennung erleichtern. Mit ihr ließe sich nach Stoffen suchen, die jenen aus der Zement- oder Schwerindustrie ähneln, nur im Prozess weniger CO2 emittieren; oder nach Stoffen, die CO2 aus der Atmosphäre saugen, oder nach klimaneutralen Treibstoffen. Derzeit ist das noch reines Wunschdenken.